Das Haus

Die Architekturgeschichte des Hauses

Zahlreiche Um- und Erweiterungsbauten prägten die Geschichte des erst im 20. Jahrhundert zu seinem heutigen Namen gelangten Hofes.

Die Bauforschung am Objekt und in den Archiven wurde maßgeblich von Dr. habil. C. A. Wimmer durchgeführt, der in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse zur Geschichte der Bauten des Mathildenhofes beigetragen hat.

Bauhistorische und archivalische Untersuchungen haben erwiesen, dass der linke Flügel der Anlage der älteste ist und im Kern auf das Jahr 1574 zurückgeht. Vermutlich im 17. Jahrhundert fanden Erweiterungen statt. Dennoch blieb das Wohnhaus von sehr bescheidenem Umfang. Obwohl es anfangs von bedeutenden Adelsfamilien bewohnt wurde, unterschied es sich kaum von einem gewöhnlichen Bauernhof. In der Mitte des Hofes stand ein Scheunengebäude, rechts sind die Stallungen anzunehmen. Beide waren aus Natursteinen gemauert, während das Wohnhaus mit Ausnahme des Kellers aus Fachwerk bestand. Die geräumigen Keller verweisen auf die Bedeutung des Weinbaus.

Als erster Besitzer des Gutes kann Conrad Breder von Hohenstein (1574–1589) nachgewiesen werden, dessen Wappen und die Jahreszahl 1574 den Keller unter dem linken Flügel des jetzigen Baues ziert.

Später gehört es Franz Friedrich Wilhelm Specht von Bubenheim, der es 1655 an Agnes Helene von Wallbrunn, geb. von Gemmingen, verkauft. Durch Erbfolge gelangt es zu Georg Reinhard von Wallburn und dann bis 1709 an Franz Emmerich Wilhelm Friedrich Specht von Bubenheim, Domdechant und Erzpriester zu Mainz. Franz Anton Wolfgang Schütz von Holtzhausen, Burggraf und Oberamtmann zu Starkenburg, erbt den Hof aus der Familie seiner Mutter, verkauft ihn aber 1720 an Georg Wilhelm Specht von Bubenheim, Amtmann zu Werneck. Dieser vererbt an seine Söhne Lothar Franz Ignaz Specht von Bubenheim, Domkapitular in Mainz, und Johann Philipp Christoph Specht von Bubenheim, die an Johann Georg Nitschke verkaufen.

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Wie erst kürzlich nachgewiesen werden konnte, baute die thüringische Freiin Sophie von Harstall die vorgefundenen Gebäude zu einer Dreiflügelanlage nach französischem Vorbild – wie sie im 18. Jahrhundert für Adelssitze üblich war – um. Dabei wurde aus der bisherigen Scheune der Hauptwohnflügel, den man Corps de Logis nannte. Das bisherige Wohnhaus auf der linken Seite baute sie aus, kam aber nicht mehr dazu, es gänzlich mit dem Mittelflügel zu harmonisieren. Im rechten Flügel richtete sie die Kelterhalle ein. Historisch von besonderem Interesse ist, dass ein lediges Fräulein, das es den männlichen Standesgenossen gleich tun wollte, als Bauherrin auftrat.

Obwohl die Anlage im 19. Jahrhundert stark überformt wurde, hat sich im Umfang der Dreiflügelanlage und an vielen Stellen das Mauerwerk des Harstall’schen Adelssitzes bis heute erhalten. Am deutlichsten erinnern noch zwei von Sophie von Harstall angebrachte Wappen an diese wichtige Periode der Jahre 1741 bis 1751.

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Heute zeigt sich das Haus im Gewand einer Villa, das ihm Christian Ludwig Lauteren und sein Architekt Carl Wetter 1861 gegeben haben. Der Architekt hatte jedoch die älteren Bauteile des 18. Jahrhunderts zu verwenden, von denen sich noch allenthalben Spuren finden, auch wenn sie nicht offen zu Tage treten. Der linke Flügel wurde vom herrschaftlichen Wohnteil abgetrennt, in den Festräumen des Mittelflügels im Erdgeschoss entstand eine komfortable und geräumige Kelterhalle, von deren Funktion man aber von außen nichts sah. Im neu aufgeführten Obergeschoss und im rechten Flügel wurden die eigentlichen Wohn- und Gesellschaftsräume eingerichtet. Zum Rhein hin wurde ein Turm mit einem kleinen Turmstübchen angebaut. Das Raumprogramm nahm darauf Rücksicht, dass die Familie Lauteren in Mainz ihren Hauptwohnsitz hatte und sich nicht ständig in Nierstein aufhielt.

Stilistisch wählte man das Erscheinungsbild einer italienischen Villa, stellenweise durchsetzt mit leicht gotischen Elementen. Die Architektur ist stark vom Potsdamer Villenstiel geprägt, den Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius deutschlandweit beliebt machten.

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Der 1862 eingereichte Entwurf für den Mathildenhof in seiner jetzigen Form stammt vom Carl Wetter.

Karl (oder Carl) Ernst Wetter, geboren am 22.12.1823 in Mainz, gestorben am 14.8.1886, verheiratet mit Auguste Götz, war Kreisbaumeister in Nidda.

Als Sohn von Peter Wetter (Bauleiter des Moller’schen Theaters in Mainz, 1835 Stadtbaumeister in Alzey) und Enkel von Augustin Wetter (1823 bis 1838 Stadtbaumeister in Mainz) entstammte er einer in der Region bekannten Architektenfamilie.