Geschichte des Gartens
In seiner langen Geschichte ist der Garten des Mathildenhofs vielfach umgestaltet worden. Heute werden diese Wandlungen durch die Stiftung Mathildenhof erforscht, um die Anlage im Sinne der Siesmayer’schen Gartenkunst wiederzustellen und zu erhalten.
Bei der Erneuerung der historischen Gartenanlage wird – wie Frau Prof. Dr. Duthweiler, die den entsprechenden Pflanzplan anhand ihrer Forschungen erstellt hat, ausführt – denkmalpflegerisches Neuland betreten:
»Die Wiederherstellung historischer Bepflanzungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungen ist ein bundesweit ganz neuer Weg in der Gartendenkmalpflege. Während man bei der Instandsetzung baulicher Anlagen inzwischen viel Erfahrung hat, ist das Wissen um die historische Pflanzenverwendung im Allgemeinen noch erstaunlich gering. Anhand der Parkanlage Mathildenhof in Nierstein sollen gartendenkmalpflegerisches Wissen mit bepflanzungsgeschichtlichem Spezialwissen kombiniert und zu einer authentischen Gesamtatmosphäre geführt werden. Dabei ist nicht nur ein hoher Forschungsaufwand über die charakteristischen Bepflanzungen von Siesmayer-Anlagen zu erwarten, sondern auch ein erheblicher Aufwand bei der Beschaffung der Pflanzenarten und -sorten (teilweise nur noch in anderen Ländern erhältlich).
Der Eingang zum Garten befindet sich auf dem Parkplatz an der Flügelsgasse.
Treten Sie ein!
Wir begrüßen Sie herzlich und laden Sie ein, sich vom Mathildenhof-Garten inspirieren zu lassen, in reizvoller Umgebung ungestört zu verweilen und mit Freunden gärtnerische Themen zu eruieren. Für Besucher des privaten Ziergartens wird um Voranmeldung gebeten.
Der öffentliche Teil des Kulturgutes ist Dienstag bis Donnerstag von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet und außerhalb der Öffnungszeiten auf Anfrage zugänglich.
Der Eingang befindet sich neben der Infotafel auf dem Parkplatzgelände an der Ecke Flügelgasse/Hinter Sundheim. Für Besuche des Ziergartens wird um Voranmeldung gebeten.
Wenn Sie darüber hinaus Interesse an Sonderterminen außerhalb der regulären Zeiten haben – etwa für Führungen, nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.
Sie erreichen uns unter 06133 50 90 89-0 oder per E-Mail an stiftung@ahr-info.de
Der Ziergarten
Der Ziergarten ist der nah am Haus gelegene Gartenteil. Er ist die Verbindungsstelle zwischen Haus- und Gartenarchitektur. Es spricht für die Einmaligkeit der Niersteiner Siesmayer-Anlage, dass offenbar Haus- und Gartenarchitekt schon im Planungsstadium zusammenarbeiteten. Ihr Bestreben war, so bruchfrei wie möglich zu arbeiten, zum Gelingen des Gesamtkunstwerks. Daher schufen sie Spalierbauten nicht nur im Garten, sondern als Teil der repräsentativen Gartenfassade selbst. Die Architekten kreierten damit Gartenräume auch als Teil der Hausarchitektur. Der Garten wurde erlebbar an das Haus geholt.
Durch den Ziergarten am Haus führen geschwungene Fahr- und Fußwege, die verschiedene Sichtachsen auf die Gebäude ermöglichen. Für Siesmayer und seine Zeit typisch ist die reiche Ausstattung mit Ziergehölzen und Pavillons, die in seiner Werkstatt gefertigt wurden.
Teile des ursprünglichen Baumbestandes sind erhalten geblieben. Besonderer Wert wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf das Farbenspiel kontrastierender Bäume und Sträucher gelegt. Nachpflanzungen an Gehölzen sind besonders in der verarmten Strauchschicht unausweichlich geworden.
Mittig vor den beiden Hauptgartenfassaden müssen jeweils Schmuckbeete gelegen haben. Es wurden wegebegleitende Palmetten- und Arabeskenformen gewählt, wie sie Siesmayer in seiner mittleren Schaffensperiode verwendete. An der Nordfassade wird ein dort nachgewiesenes Brunnenbecken den Mittelpunkt der Beetornamentik bilden.
Vision Obstpark
Auf seiner Ostseite schmückten den Garten des Mathildenhofs einst landschaftliche Partien, die als »Obstpark« bezeichnet wurden und die den eigentlichen Höhepunkt der Anlage bildeten. Als besondere visuelle Attraktion öffneten sich dem Betrachter von dort aus zugleich die Blickachsen auf die drei Niersteiner Wahrzeichen – den Wartturm, St. Martin und St. Kilian. Es ist davon auszugehen, dass im Obstpark vornehmlich das damals beliebte Formobst kultiviert wurde, während an den Gartenmauern Spaliere angebracht waren, an denen wahrscheinlich auch Spalierobst gedieh.
Der Mathildenhof Stiftung ist es ein besonderes Anliegen, den Garten mit der Wiederherstellung seines vormals schönsten Teils zu komplettieren und ihn in dieser außergewöhnlichen Gestalt für die Niersteiner und ihre Besucher erlebbar zu machen. Aus diesem Grund setzt sich die Stiftung dafür ein, die Parkplätze, mit denen die Fläche des ehemaligen Parks und der Standort des einst repräsentativsten Pavillons in den 1980er Jahren bebaut worden sind, an andere Stelle zu verlegen.
Die Wiedererrichtung des Obstparks und des abgerissenen Pavillons ist eines der wichtigsten Ziele der Stiftung. Wir freuen uns über jede Stiftungsspende, die uns zum Aufbau des Parkes helfen kann.
Der Weingarten
Der Weingarten des Mathildenhofs, der schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisbar ist, hatte über seinen wirtschaftlichen Nutzen hinaus auch repräsentative Bedeutung. Seine Funktion war es, die wirtschaftliche Grundlage der Besitzung in exemplarischer, idealisierter Form zu symbolisieren. Hierbei ist nicht zu vergessen, wer der eigentliche Auftraggeber der Gartenanlage war: Die Familie Lauteren, die großbürgerlichen Weinhändler aus Mainz, erste deutsche Sektproduzenten und Anteilseigner der Dampfschifffahrtsgesellschaft sowie der Ludwigsbahn zwischen Mainz und Worms.
Die herrschaftliche Zufahrt vom Dorf und vom neuem Bahnhof zur Villa führte in einer großen eleganten Kurve unter einer Weinpergola durch den Weingarten. Aufwendige Pavillons ermöglichten den Blick über das Weinfeld zum Haus. Dieser repräsentative Charakter wird noch im 20.Jahrhundert deutlich, als der Weingarten als »Gästegarten« oder »Gästewingert« bezeichnet wurde. Ähnliche Weingärten baute Siesmayer für Wirtschaftsgrößen wie den Bankier und Amateurgärtner von Lade in Geisenheim und den erfolgreichen Kaufmann Umberg in Laubenheim. Die rasterförmige Wegestruktur, die im Plan von 1920 überliefert ist, erinnert auch an Renaissancegärten. Gleichzeitig dienten solche ummauerten Weingärten am Weingut auch als »Reb- und Musterschulen«. Hier wurden auf eingeteilten kleinen Feldern verschiedene Reben gepflanzt, gezogen und erforscht, die Vermehrungs- und Veredlungsversuche gemacht. In den 1960er Jahren führte Peter von Weymarn erste Versuche mit biologischem Weinanbau im Weingarten des Mathildenhofes durch. In den 80er Jahren wurde der Weingarten an die Gemeinde verkauft und gerodet.
2008 hat das Weingut Seebrich ihn von der Stiftung gepachtet und bestückte ihn, in Anlehnung an die historische Wegführung, neu mit Riesling-Hochstämmen. Inzwischen entstanden aus den dort gelesenen Trauben bereits zwei sehr gute Jahrgänge. Der Ertrag (rund 4000 Liter im Jahr) wird als eigenständiger Wein ausgebaut, der Löß-Lehmboden verspricht blumigen und exotischen Primäraromen.
Der Gartenarchitekt: Franz Heinrich Siesmayer
Franz Heinrich Siesmayer (1817–1900) war ein international bekannter Landschaftsgärtner, der zusammen mit seinem Bruder Nikolaus (1815–1898) 1842 die Firma Gebrüder Siesmayer in Bockenheim bei Frankfurt gegründet hatte.
Nach Heinrichs Entwürfen schufen sie zahlreiche Anlagen, darunter den Kurpark von Bad Nauheim und den Palmengarten in Frankfurt. Die Firma Siesmayer übernahm auch die Pflege der Gärten und betrieb eine Baumschule sowie eine Werkstatt, in der sie Pavillons und andere Gartengebäude, vor allem aus Holzgitterwerk, herstellte. Der Garten des Mathildenhofs erscheint auf einer undatierten Referenzliste der Firma Gebr. Siesmayer, in der »Lauteren, Commerzienrath in Nierstein« als Auftraggeber genannt wird.
Bisher noch nicht bekannt und in Hinblick auf die Spalierbauwerke wohl nur in Nierstein erhalten, ist die enge Zusammenarbeit zwischen Carl Wetter, dem Architekten des Hauses und Heinrich Siesmayer, die an der Konstruktion der Veranda und den korrespondierenden Pavillons abzulesen ist.
Noch zu erforschende Spuren führen nach Frankreich zum Gestüt Chateau Le Mesnil, wo die Treibhäuser nicht nur in der Farbe der Eichenholzlasur (Petrolblau), sondern auch in der Art der Verbindung der Holzspäne (gebundener Eisendraht) eine frapierende Ähnlichkeit zu den Niersteiner Siesmayer Spalierarbeiten aufweisen.
- Jäger, Hermann: Deutsche Gärtner. Die Gebrüder Siesmayer. Ein Doppel-Lebensbild. In: Möller`s Deutsche Gärtner Zeitung, 1882, S. 243-259
- Siesmayer, Heinrich: Aus meinem Leben, 1892, Neuaufgelegt und Herausgegeben von Thorsten Reuter, Peter Althainz; unter dem Titel Franz Heinrich Siesmayer / Lebenserinnerungen, Book on Demand, 2007, Mit einem Vorwort von Barbara Vogt
- Caspary, Eugen; Spitzlay, Robert: Franz Heinrich Siesmayer 1817 - 1900: die Lebenswege grossen Kunst- u. Handelsgärtners an der Wende zwischen feudalprivatwirtschaftlicher und bürgerlich -kommunalwirtschaftlichen Zeitalter, in: Nassauische Annalen 94, 1983, S. 222 - 244
- Vogt, Barbara: Franz Heinrich Siesmayer (1817 - 1900) : Biographien europäischer Gartenkünstler, in: Stadt und Grün, 1999, Nr. 2, S. 105 – 113
- Vogt, Barbara: Siesmayers Gärten, Societätsverlag, Frankfurt 2009
- Wimmer, Clemens Alexander: Siesmayer, Heinrich, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 24, 2008
Die Geschichte des Gartens
Zu dem ursprünglich außerhalb des Niersteiner Ortskerns liegenden Hof wird schon immer ein Garten gehört haben. Für die Zeit von Sophie von Harstall in der Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Zier-, Nutz- und Weingarten sowie ein »Sommer-Haus« im Garten nachweisbar. Der Garten des Weinguts wird nach dem Erweiterungsbau des Hauses (1862) im Auftrag der Familie Lauteren von der Firma Gebrüder Siesmayer neu angelegt.
Der Garten wird dreiteilig konzipiert. Er besteht aus einem Ziergarten an dem Haus, einem anschließenden kleinen Obstpark mit Formobst und einem großen, repräsentativen Weingarten, durch den die herrschaftliche Zufahrt zum Haus führt. Verschiedene aufwändige Pavillons werden aus Siesmayer-typischem Gitterwerk gebaut. Auch die Kegelbahn und die Veranden des Hauses werden mit solchem Holzwerk gestaltet und verbinden so Haus und Garten.
Nach der Übernahme durch die Familie der Freiherrn von Heyl zu Herrnsheim 1909 wird das Gesamtbild der Anlage durch den Anbau von Schuppen und einer Halle beeinträchtigt. Der Charakter des Gutes wandelt sich von einem repräsentativen Landsitz zu einem Wirtschaftsbetrieb. Nach 1945 wird die Toreinfahrt am Ende des Weingartens abgerissen, Teile der Anlage jenseits des Flügelsbaches und am Weingarten werden verkauft und bebaut. Nur ein Pavillon an der Kegelbahn bleibt erhalten.
Der Weingarten wird zunächst als Rebschule und »Gästegarten« genutzt. Hier werden von Peter von Weymarn in den 60er Jahren erste Versuche mit biologischem Weinanbau durchgeführt und die Reben für den »Mathildenhöfer Sekt« angebaut. Der Garten des Mathildenhofs kann als die Pionierfläche des biologischen Weinbaus in Deutschland bezeichnet werden. In den 80er Jahren wird dieser Teil des Gartens an die Gemeinde verkauft, man entfernt die Rebstöcke und legt eine Rasenfläche an. Der wertvolle Pavillon wird mangels Kenntnis der Bedeutung dieses Denkmals abgerissen. Somit sind die Kegelbahn mit Pavillon und die Verandakonstruktion des Mathildenhofs die wohl Deutschlandweit einzig erhaltenen Siesmayer-Holzbauten.
2002 soll das Gelände Wohn- und Gewerbefläche werden. Dies kann durch die Gründung der Stiftung verhindert werden, die das Grundstück von der Gemeinde erwirbt und nun an der Wiedererstellung der historischen Gartenanlage der Gebrüder Siesmayer arbeitet. Hierzu werden ein Gutachten von Stella Junker-Mielke (2004), ein Vorentwurf von Martin Hauck (2005), eine gartendenkmalpflegerische Vertiefungsstudie sowie ein Entwurf inkl. Pflanzplan von Dr. habil. Clemens Alexander Wimmer unter Mitwirkung von Ragnhild Kober-Carrière und Barbara Vogt (2007) erarbeitet.
2007 wurden die im 20. Jahrhundert angebauten Hallen und Schuppen abgerissen und die alten Blickachsen auf Haupthaus, Nebengebäude und den verbliebenen Pavillon wieder erlebbar. Die Neuanpflanzung des Rebgartens (Frühjahr 2008) und die Nachpflanzung historisch passender Bäume und Sträucher ist in Arbeit (siehe Pflanzlisten).